Predigt am 4. Fastensonntag C – 10. März 2013
Lesungen: Jos 5,9a.10-12 / 2 Kor 5,17-21 / Lk 15,1-3.11-32
Alle liturgischen Texte (hier)
„Wenn Gott die Liebe ist, darf die Liebe keine Grenzen haben, da auch die Gottheit nicht in Grenzen eingeschlossen werden kann“ Leo der Große (+ 461)
Geistliche Gedanken aus St. Bonifaz (hier)
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Verloren – und wiedergefunden. Diese Worte am Schluß der Erzählung vom verlorenen Sohn (oder vom barmherzigen Vater) sind wie ein Programm, mit dem man die ganze Geschichte des Unheils und Heils, das ganze Geschehen zwischen Himmel und Erde beschreiben könnte. Verloren ist der Mensch, verplant durch seine Wünsche, gehetzt und getrieben von seinen Sehnsüchten – bis er wiedergefunden sein wird am Ende eines langen Weges – von einem barmherzigen Gott.
Niemand ist in der Lage, dem verlorenen gegangenen Menschen nachzugehen und ihm seine alte neue Heimat wieder zu schenken als Gott allein.
Die Erzählung steht in einer Reihe anderer Erzählungen Jesu mit ähnlichem Inhalt. Das verlorene Schaf, dem der Hirt nachgeht und dabei sogar die anderen Schafe in der Wüste zurückläßt. Der Hirt trägt es auf seinen Schultern heim und reiht es wieder ein in die Herde. Die verlorene Drachme: eine Frau durchstöbert das ganze Haus und lädt dann ihre Nachbarinnen ein zu einem Freudenfest, weil sie die verlorene Drachme wieder gefunden hat.
Jesus hat das tägliche Leben angeschaut, hat die Freuden und Leiden seiner Zeitgenossen liebevoll beobachtet. Und von der Rührung des menschlichen Herzens schließt er auf das weitaus größere Herz seines Vaters, auf das Herz Gottes, der barmherzig und gnädig ist, und Freude hat über jeden, der sich finden läßt.
Wenn schon ein Hirt nicht mit ansehen kann, daß sich ein Schaf verirrt, wenn er ihm stundenlang nachläuft, um es wieder zu finden; und wenn schon eine Hausfrau darunter leidet, daß sie ein wertvolles Geldstück verloren hat und deshalb das ganze Haus auf den Kopf stellt, um diese Münze wieder zu finden, wie viel mehr wird es sich Gott kosten lassen, einen verlorenen Menschen wieder zu finden.
Wir stehen in der Vorbereitung auf das Osterfest – in der österlichen Bußzeit. Wir bedenken unseren Lebensweg und möchten uns innerlich erneuern – so wie sich auch die Natur draußen für den Frühling vorbereitet.
Es ist wichtig, zu erkennen, daß Erneuerung nicht in erster Linie die Folge moralischer Leistung ist. Nicht wir bekehren uns zu Gott – sondern die Reihenfolge ist umgekehrt: Gott kehrt sich uns zu, den Sündern. Und dann können wir heimkehren – wie der verlorene Sohn.
Dieses Denken ist den meisten von uns noch fremd. Wir meinen immer noch, wir müßten uns zuerst schön machen, bevor wir wieder vor das Angesicht Gottes treten könnten, wir müßten uns erst reinigen und durch viele Opfer Gott mit uns versöhnen. Haben wir denn das Wort des Apostels Paulus noch immer nicht verstanden: „Alles kommt von Gott“ – schreibt er – „der uns durch Christus mit sich versöhnt hat“. Hören wir denn seine Einladung mit verkehrten Ohren? Er sagt doch: „Laßt Euch mit Gott versöhnen!“ Er sagt doch nicht: „Versöhnt Euch mit Gott!“
Wer in diesen Tagen die Erneuerung seines Lebens anstrebt, tut gut daran, sich diese biblische Reihenfolge vor Augen zu führen. Sie schenkt ihm innere Ruhe und eine ganz andere Freude – und zugleich fördert sie auch die so schwer verständliche Haltung der Reue. Buße ohne Reue, sagen wir, wäre nur halbherzig. Wie aber kann das Gefühl der Reue entstehen, wenn wir meinen, es sei ja eigentlich alles unsere Leistung, die wir vor Gott zu vollbringen hätten?
Reue, das ist die späte und schmerzliche Einsicht, daß man geliebt worden ist und es vor lauter Unachtsamkeit gar nicht wahrgenommen hatte. Wenn ein Mensch zu seiner eigenen Überraschung plötzlich feststellt, daß ihn jemand immer schon geliebt hat, unaufdringlich, aber treu, dann befällt ihn das Gefühl der Scham und der Reue.
Nicht das Wissen um unser Versagen, sondern das Wissen um die unverdiente Liebe Gottes zu uns – trotz unseres Versagens, ist Anstoß zur Bekehrung und der Inhalt der Buße.
Im Gleichnis von den beiden Söhnen – dem daheimgebliebenen und dem sog. verlorenen – haben beide ihr Verhältnis zu ihrem Vater neu bestimmen können. Der Heimkehrer wurde überwältigt von der nicht erwarteten Großzügigkeit seines Vaters – und der Daheimgebliebene wurde wegen dieser Großzügigkeit beschämt und mußte seinen versteckten Groll über den Taugenichts-Bruder begraben. Beide also hatten Anlaß, sich zu bekehren, weil beiden die Großmut des Vaters begegnet ist.
So bleiben wir in den restlichen Tagen vor Ostern mit wachen Sinnen unterwegs. Keinem von uns ist Gott fern. Er hat ein Herz für jeden. Sein Erbarmen kennt keine Grenzen. Meine Sünden werden ihn nicht aufhalten, weiter nach mir Ausschau zu halten, mich zu suchen. Ich brauche mich nur finden zu lassen.