Predigt am 2. Sonntag der Osterzeit C – 07. April 2013
Lesungen: Apg 5, 12-16 – Offb 1,9-11a.12-13.17-19 – Joh 20,19-31
Alle liturgischen Texte (hier)
Geistliche Gedanken aus St. Bonifaz (hier)
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„Ich war nicht dabei, wurde nicht benachrichtigt, weiß von nichts“, mit dieser Antwort können wir uns aus schwierigen Situationen retten. Denn wer nicht beteiligt war an einem Ereignis, kann nicht zur Verantwortung gezogen werden.
In den Fragen des Glaubens geht das so einfach nicht. Denn die Nachricht von der Auferstehung Jesu ist weltweit bekannt und Glaubenszeugen leben mitten unter uns. Die Christen haben die Botschaft von der Auferstehung als Evangelium angenommen, als frohe und gute Nachricht: Gott, der Unbekannte, hat sich in Jesus von Nazareth einen Namen gemacht. Gott, der Unbegreifliche, hat sich in Jesus von Nazareth begreifen lassen. Gott, der von allen Menschen insgeheim Gesuchte, ist in Jesus von Nazareth gefunden worden.
So bezeugt es die Hl. Schrift – und auch der Zweifler Thomas, dessen Geschichte im Johannesevangelium zu lesen ist, tut sich schwer mit seinen Ausreden. Er ist ein sympathischer Jünger Jesu, einer, der nicht leichtgläubig und naiv den Nachrichten anderer folgt, sondern sich ein eigenes Urteil bilden will.
Das kommt neuzeitlichem Lebensgefühl nahe. Wir sind skeptisch geworden und trauen nicht mehr so recht den großen Verheißungen. Allzu oft wurden wir enttäuscht. Trau, schau, wem – heißt eine alte Spruchweisheit.
Diese Skepsis ist in der Gestalt des Thomas ein für alle mal gewürdigt. Denn Jesus von Nazareth hat den Zweifel als Kehrseite der Glaubensgewißheit anerkannt. Die Jünger ihrerseits haben Thomas nicht aus ihrer Mitte verstoßen, sondern ihm Zeit gegeben, damit er sich ein eigenes Urteil bilden könne.
Das war nicht immer so. Z.Zt. des Alten Testamentes galten sehr strenge Regeln: wer sich der Lebensordnung des Bundesvolkes nicht 100%ig anschloß, wurde aus der Gemeinde ausgestoßen. Er galt wie ein Fremder, mit dem man nichts mehr zu tun haben wollte. So wurde etwa der Prophet Amos des Landes verwiesen, weil er bezweifelte, daß der Lebensstil der herrschenden religiösen Kreise richtig war: „Pack dich fort, Seher, geh ins Land Juda!“, so wies man ihn aus (vgl. Amos 7,12).
Hätten nicht die elf Jünger ähnlich reagieren müssen, als Thomas ihre Botschaft von der Auferstehung Jesu anzweifelte. Hätten sie ihn nicht einfach weiterschicken müssen mit der Begründung: Du schadest mit Deiner Kritik nur unserem Glauben. Solche Leute wie dich können wir in unserern Reihen nicht gebrauchen!
Aber genau das geschah nicht. Thomas war bei der ersten Erscheinung Jesu nicht dabei. Als er später hinzukam, läßt man ihn seinen Zweifel äußern; man wartet ab und ist sich sicher, daß die Stunde der Wahrheit auch für ihn kommen würde.
Gewißheit und Zweifel bleiben zusammen in dem Bemühen, sich der Wahrheit Gottes immer mehr anzunähern. Der Zweifel wird ausgehalten und durchgehalten, bis Wahrheit und Erkenntnis aufgehen im Bekenntnis. Und dieses Bekenntnis ist keine bloße Zustimmung zu einer Lehre, sondern Zustimmung zu einer Person. „Mein Herr und mein Gott!“, das ist der Satz, der den Zweifel zwar nicht auflöst, ihn aber einbettet in ein persönliches Verhältnis des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung und Liebe.
Zwischen Jesus und Thomas kommt es nicht vorrangig zu einer Übereinstimmung in Sachfragen, sondern zu einer welchselseitigen Kapitulation: der Zweifler Thomas kapituliert vor der Größe seines Herrn und Meisters und beugt sich in Demut vor ihm nieder.
Und Christus der Herr „kapituliert“, wenn man so sagen darf, vor dem geringen Fassungsvermögen des Jüngers. Er, der Unbegreifliche, läßt sich begreifen, der Unfaßbare läßt sich anfassen. Diese Szene muß man sich immer wieder vor Augen führen, weil sie ein Beispiel für unsere Situation ist.
Auch unser Glaube ist ein Schwebezustand zwischen Gewißheit und Zweifel. So selbstverständlich, wie wir es uns wünschen, ist unser Glaube nicht; er bleibt immer auch angefochten und droht in den Sorgen dieser Welt unterzugehen. Das liegt aber auch daran, daß der Sohn Gottes, Jesus von Nazareth, äußerlich wie ein Mensch aufgetreten ist. Er galt ja lange genug als der „Sohn des Zimmermanns Josef“.
Menschlich gesprochen war es ein Risiko für Gott, sich zu entäußern und die Menschennatur anzunehmen. Denn in der Menschengestalt verhüllte sich die Gottesnatur. Wir wissen aus den Evangelien, daß selbst die Jünger lange brauchten, bis sie in Jesus den von Gott gesandten Messias erkannten; eigentlich ist ihnen das Geheimnis Jesu erst nach Ostern aufgegangen. Und der Zweifler Thomas hat bis zuletzt unsere Rolle gespielt – die Rolle derer mit einem schwachen Glauben.
Im Hebräerbrief heißt es: „Glaube aber ist: (das) Feststehen in dem, was man erhofft, (das) Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“.
In dieser Lage befinden wir uns. Wenn wir nun wie Thomas das bekennende Gebet des Thomas nachsprechen, werden wir erfahren, daß der Osterglaube kein Märchen ist, sondern der Grund unserer Lebenskraft. Denn wer Gott auf seiner Seite hat, der hat das Leben auf seiner Seite. Wer „Mein Herr und mein Gott“ sagt, dem ist die Lebenskraft Gottes zugesagt.