Predigt am Hochfest der Hl. Dreifaltigkeit – 26. Mai 2013
Lesungen: Spr 8,22-31 / Röm 5,1-5 / Joh 16,12-15
Alle liturgischen Texte (hier)
Geistliche Gedanken aus der Pfarrei St. Bonifaz (hier)
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Martin Buber erzählt in seiner Sammlung jüdischer Geschichten folgende Begebenheit: Ein Schüler trat eines Morgens in das Lehrhaus. Er hatte die Türklinke noch in der Hand. Da schaute der Rabbi vom Buch auf und fragte ihn: „Was ist Gott?“ – Der Schüler schaute ihn groß und stumm an. „Was ist Gott!?“ – Der Junge senkte den Kopf. „Warum antwortest Du nicht?“, fragte ihn der Alte. „Weil ich es nicht weiß“, gab der Junge zur Antwort. Da sagte der Rabbi: „Weiß ich es denn? Ich weiß nur, daß ER ist und dass außer Ihm nichts ist. – Und das ist ER“.
Heute, am Fest der Hl. Dreifaltigkeit, geht es einem wie dem Rabbi. Über Gott können wir eigentlich nur sagen, daß wir nichts zu sagen haben. Wäre es dann nicht besser, zu schweigen? – Der Philosoph Wittgenstein hatte einen ähnlichen Vorschlag gemacht: „Worüber man nicht reden kann, davon soll man schweigen“.
Ich bin nicht sicher, ob wir gut beraten sind, diesem Vorschlag zu folgen. Auch wenn unser Reden von Gott eher ein Stottern ist, sollten wir es doch versuchen. Während wir nämlich versuchen, über Gott zu reden, werden wir uns selber gewahr, sprechen wir auch von uns selbst. Indem wir über Gott nachdenken, kommen wir unseren eigenen Fragen näher. Niemals kann einer Gott verstehen, wenn er sich selber nicht versteht. Sind wir doch Gottes Geschöpfe, nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen. Der Münchner Psychologe Albert Görres hat vor Jahren zusammen mit dem Theologen Karl Rahner ein Buch über die Gottesfrage herausgegeben. Er meinte, man könne Gott nicht kennen, wenn man den Menschen nicht kennt.
Lassen wir also die Frage des jüdischen Rabbi an seinen Schüler als an uns gerichtet gelten und suchen wir Antworten, auch wenn sie noch so unvollständig sein werden.
Wenn ich wissen will, wer ein bestimmter anderer Mensch ist, den ich nur vom Hörensagen kenne, muß ich versuchen, ihn zu treffen, muß ich auf ihn zugehen. Auf Laufe der Zeit werde ich ihn dann kennenlernen.
Sollen wir also einfach auf Gott zugehen, ohne noch genau zu wissen, wer er ist? Nach dem Zeugnis der hl. Schrift hat Gott bereits den ersten Schritt getan, ist schon längst auf uns zugegangen – ganz offenkundig in Jesus von Nazareth. Dessen Wirken in der Welt war ein deutliches Zeugnis für Gott, sozusagen Gottes letztes Wort an die Welt, nachdem er bereits vorher „oft und auf vielerlei Weise“ – wie der Hebräerbrief sagt – zu uns gesprochen hatte (vgl. Hebr 1,1).
Gott kommt dem Menschen entgegen und hinterläßt manchmal einen so starken Eindruck, dass sie anfangen, über ihn zu reden. Sie teilen dann ihre religiösen Erfahrungen mit. Eine davon ist die Erfahrung des Staunens. Das Staunen darüber, dass überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts.
Der alttestamentliche Mensch hatte noch eine unverbrauchte Fähigkeit, zu staunen und sich zu wundern über alles, was da ist: über die Sterne, die Sonne, den Mond, den Erdkreis, die Berge und Täler, die Fluren. In der Lesung sind die Objekte des Staunens aufgezählt. Der Erzähler ist die personifizierte Weisheit, die in allem eine Spur des Schöpfergottes erkennt. Was uns aufhorchen lässt, ist der Gedanke des Spiels. Die göttliche Weisheit, Gott selbst, hat Freude unter den Menschen zu sein und vergleicht dieses Dasein mit dem Dasein eines spielenden Kindes.
Ein spielendes Kind ist für uns Erwachsene ein Bild des Friedens. Da ist die ruhige Gelassenheit mit Händen zu greifen: es ist ein Zeichen für das Freisein von Angst und Lebenssorge. Auf einen Nenner gebracht, lautet die Botschaft: Wo Gott ist, ist Friede und Aufatmen der Seele mitten in den Lasten der Tage. Wo Gott ist, da erfährt der Mensch so etwas wie eine Heimat, ein Obdach für die Seele.
Unsere deutsche Sprache entbirgt manches, wenn man genauer hinhört. So findet sich z.B. in dem Wort Geheimnis als mittlere der drei Silben das Wort „Heim“. Ein Ge-heim-nis also hat mit Heimat, mit Geborgenheit, mit einem Obdach und Heim zu tun, das der Mensch sucht und braucht. Könnte es sein, dass wir deshalb so unbehaust und zerrissen sind, weil wir keine Geheimnisse mehr haben? Gott, der Dreifaltige, ist das größte Ge-heim-nis. Aus den Worten Jesu, die der Evangelist Johannes überliefert hat, schließen wir, dass Gott keine isolierte Monade, keine in sich verschlossene Größe ist, sondern Kommunikation, Gemeinschaft von Vater, Sohn und Hl. Geist, eine dem Menschen zugewandte Person. Alles, was der Vater hat, ist mein, sagt Jesus. Und: Der Geist wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden (vgl. Joh 16,15 ff).
Ich lese die Worte Jesu so: wir sind eingeladen, uns unter das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes zu stellen wie unter ein schützendes Dach. Dann sind wir geborgen und gerettet. Er überdacht uns in allen unseren Lebenssituationen. Er ist das Obdach für unsere Seelen.
Wir beginnen jeden Gottesdienst im Namen des Dreifaltigen Gottes. Heute, am Dreifaltigkeitssonntag sollte uns das zu denken geben. Das unergründliche Geheimnis Gottes werden wir nie lüften, aber wir können lernen, es in Ehrfurcht zu wahren. Wir können uns vor dem geheimnisvollen Gott verneigen. Seine Größe ist unerforschlich, seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken, seine Wege nicht unsere Wege (vgl. Jes 55,9).