6. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A – 25. Mai 2014
Lesungen: Apg 8,5-8.14-17 / 1 Petr. 3,15-18 / Joh 14,15-21
Liturgie (hier)
Zum Anhören der Predigt bitte am Ende des Textes auf das kleine Dreieck am linken Balkenende klicken
In den 60iger Jahren wurde von jungen Leuten ein Lied mit Begeisterung gesungen, das mit folgenden Worten begann: „Antwort auf alle Fragen gibt uns dein Wort – Ausweg aus allen Lagen zeigt uns dein Wort“
Lieblose Kritiker meinten schon damals, dieses Lied würde einer ernsthaften Prüfung nicht Stand halten. Es stimme einfach nicht, daß man die Bibel wie ein Rezeptbuch aufschlagen und darin „Antwort auf alle Fragen“ finden könne.
Wer hat recht? Die jungen Leute – oder ihre Kritiker? Irgendwie haben beide recht. Denn wir finden manchmal im Buch des Lebens tatsächlich klare Weisungen zu einem Lebensthema und manchmal kommen uns die Gedanken und Bilder fremd vor – wie aus einer fernen Welt.
So kann es uns auch mit dem heutigen Evangelium gehen. Den Evangelisten Johannes muß man immer wieder lesen, um zu begreifen, was er eigentlich sagen will. Manchmal sind es nur wenige Worte, die häufig wiederkehren und dadurch erst ihr Gewicht gewinnen.
Z.B. das Wort Bleiben. In den sogenannten Abschiedreden, aus denen das Evangelium heute genommen ist, ist das Wort „Bleiben“ ein Hauptwort. Immer wieder mahnt Jesus seine Freunde: „Bleibt!“. „Bleibt in mir, so bleibe ich in euch. Die Rebe kann keine Frucht bringen, wenn sie nicht am Weinstock bleibt“….“Bleibt in meiner Liebe“. „Der andere Tröster, der Beistand, wird für immer bei euch bleiben“. usw.
Die Einladung zum „Bleiben“ ergeht an jene Menschen, die umgetrieben werden von einer Neuheit zur anderen, die keine Bleibe haben und nicht mehr beheimatet sind. Dass wir so mobil geworden sind, ist eine besondere Gefährdung unserer Zeit. Schnell geraten wir in ständige Fluchten, finden nicht mehr zur Besinnung und Ruhe, hetzen von einem Erlebnis zum anderen. Wir fragen nicht mehr: was bewegt mich eigentlich, wenn ich mich bewege? Da gibt das Evangelium eine Antwort auf unser unruhiges Leben: wir sollen ab und zu an einem Ort bleiben, um zur Besinnung zu kommen. Die Welt voll Unrast und Unruhe kann den Geist nicht empfangen, weil sie für ihn keine „Bleibe“ hat. Wer nicht zuhause ist, kann auch keinen Besucher empfangen. Und Gott will uns doch heimsuchen mit seinen Geistesgaben!
Aber es gibt auch eine andere Gefährdung: daß einer sich gar nicht mehr bewegt. Daß er vergessen hat, unterwegs zu sein. Daß einer vergessen hat, wo sein Ziel und seine eigentliche Heimat ist – nicht hier in dieser Welt! Wir sind nur Gast auf Erden. Das Wort Gottes drängt deshalb auch zum Aufbruch. Es lädt ein, alles zu verlassen, wegzugehen vom Vertrauten und sich auf Neues einzulassen. So sollen die Fischer ihr Handwerk verlassen und Jesus nachfolgen. So wurde schon Abraham aufgerufen, wegzuziehen aus seiner Vaterstadt ins Neuland eines ganz anderen Lebens. Zuletzt sandte Jesus seine Jünger in die ganze Welt hinaus: „Geht!“ „Geht in alle Welt und verkündet die Frohbotschaft“. Die Apostelgeschichte erzählt vom Missionar Philippus, der in die Hauptstadt Samariens geht. Und Petrus und Johannes gehen ihm nach, um für die Neubekehrten durch Handauflegung die Gabe des Heiligen Geistes zu erbitten.
Wenn die Bibel doch das Wort Gottes ist, welche Weisung ist dann für uns gültig: sollen wir bleiben oder sollen wir gehen?
Ich denke, daß jeder seine Antwort hören kann. Dem Rastlosen und Unruhigen wird gesagt: Bleib! Dem Trägen und Unbeweglichen: Geh! Brich auf! Mach dich auf! In der deutschen Sprache lassen sich beide Impulse gut miteinander verbinden. Gottes Zumutung an uns ist es, in Bewegung – zu bleiben! Wir sollen bleiben, ausharren, im Guten – und wir sollen unterwegs bleiben mit der Bereitschaft jederzeit Rede und Antwort zu stehen, wenn wir nach der Hoffnung gefragt werden, die uns erfüllt, wie es im Petrusbrief heißt.
Bald feiern wir Pfingsten. Die Zeit vor diesem Fest ist eine Zeit des Wartens. Wir warten auf die Gabe von oben, den Hl. Geist – so wie die Jüngergemeinde in Jerusalem zusammen geblieben ist und ausgeharrt hat im Bittgebet, bis sie vom Hl. Geist erfüllt zu neuer Lebendigkeit angefacht wurden. Dann sind sie aufgebrochen – buchstäblich in die ganze Welt.
Der Hl. Geist ist es, der uns in Bewegung hält und uns gleichzeitig die Unrast nimmt. Wenn wir mit ihm unterwegs bleiben, sind wir lebendige Zeugen seiner wirksamen Gegenwart – auch in unseren Tagen.
Geistliche Gedanken aus der Pfarrei St. Bonifaz (hier)